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Warum zu Guttenberg im Amt bleiben muss

Der eine sieht „Guttenberg vor Scherbenhaufen„. Die anderen wähnen ihn als Opfer einer Kampagne und rufen zur Solidarität auf. Die grüne Bundestagsfraktion hat eine Blogsite mit überwiegend schlechten zu Guttenberg-Witzen eingerichtet. Die Tagesschau Online Redaktion merkt süffizant an, dass zu Guttenbergs Großvater Karl Theodor zu Guttenberg (der ohne Bindestrich) sein Buch 1973 unter dem Titel „Fußnoten“ publiziert hat (übrigens bei Amazon.de zur Zeit nur noch gebraucht erwerblich). Handelsblatt.com sah sich sogar genötigt einen kritischen Kommentar wieder offline zu nehmen. Bildblog.de hat den Kommentar von Rüdiger Scheides allerdings vor dem Vergessen bewahrt.

Während also die journalistischen und politischen Beobachter im Raumschiff Berlin aus einer Doktorarbeit eine Staatsaffäre machen, geraten andere Fragen fast in den Hintergrund: Hartz IV-Reform immer noch nicht durch den Vermittlungsausschuss? Drei tote Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan? Niedergeschossene Demokratie-Bewegung in Libyen und Bahrein, in Jemen und und und. Alles nichts.

Ist das nun also das Ende der Ära zu Guttenberg? Ist die Lichtgestalt verblüht? Wenn man den Umfragen Glauben schenken darf, sieht nur eine Minderheit des Wahlvolks ein Problem. Abschreiben? Wer hat das nicht gemacht in der Schule? – Plagiat? Was ist das?

Ja, zu Guttenberg hat ein Problem: Er darf nicht zurücktreten. Die forsche Lichtgestalt KTG würde genau das tun, um den eigenen Ruf zu wahren. Ein Minister, der ständig über seine Promotion, statt über seine Arbeit reden muss. Ein Minister, der nur scheibchenweise die Wahrheit einräumen kann, weil er sie vermutlich selbst nicht mehr kennt. Ein Minister, der mitten in der Krise die Bundespressekonferenz brüskiert. Zu Guttenberg wird wissen, dass seine taffen Worte künftig doppelt und dreifach auf ihre Glaubwürdigkeit hinterfragt werden.

Aber Rücktritt? Seehofer, Merkel und der Koalitionspartner FDP  haben weder ein Interesse daran, in mitten schwieriger Diskussionen um die Bundeswehr den Minister von Bord gehen zu lassen, noch wollen sie einen durch Rücktritt zu Ikone werdenden Politiker KTG im Nacken spüren. Darum werden sie zu Guttenberg auch nicht von Bord gehen lassen.

P.S.: Was macht eigentlich die Universität Bayreuth? Die haben doch eine veritable Glaubwürdigkeitskrise: GuttenPlag weist aktuell 267 von 405 Seiten mit fehlerhaften Zitaten aus. Das wären 68% der Seiten der Doktorarbeit mit zumindest einer Fundstellen. Ganze zehn Seiten der Arbeit sollen sogar fast wortgleich einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags entstammen. Wenn die Universität nicht in den Ruf kommen will, prominente Doktoranden anders zu behandeln als andere, bleibt ihr fast nur noch der Entzug des Doktortitels oder die erhebliche Abwertung der Guttenbergschen Doktorarbeit. Damit allerdings sind sie ein Damoklesschwert über Minister und CSU, denn die setzen gerade auf den Faktor Zeit und Vergessen – eine Entscheidung in Bayreuth ist erst in einigen Wochen, wenn nicht gar Monaten zu erwarten, solange lässt sich die Aufregung um eine Doktorarbeit nicht auf Seite eins der Tageszeitungen halten.

P.P.S.: Wirklich erfrischend ist übrigens der Kommentar von Thomas Stadler (Internet-Law), in dem er deutlich macht, wie gering in der aktuellen Debatte Urheberrecht und Intellectual Property Rights geschätzt werden. Denn das massenhafte „Vergessen“ einer Fußnote ist primär nicht eine Frage von Charakterstärke oder Schlampigkeit, sondern von Geringschätzung der Rechteinhaber.

Transparenz – es tut sich was.

stakeholder-event_dekoKaum war die neue Bundesregierung gebildet, bemühten sich die neuen Minister deutlich zu machen, dass sie auf keinen Fall einfach dem Lobbyismus der Wirtschaft erliegen werden. Am deutlichsten wurde während seiner Amtseinführung der neue Gesundheitsminister Rösler, der dem Lobbyismus in der Gesundheitspolitik endlich etwas entgegensetzen will. Immer öfter wird in der Diskussion „Lobbyismus“ als Ursache für politische Fehlentscheidungen ausgemacht. Dabei wissen alle Beteiligten, dass es ohne Interessenvertretung gar nicht geht. Politik muss die unterschiedlichen Interessen aller Beteiligten kennen und muss diese Interessen gegeneinander abwägen, Kompromisse zwischen verschiedenen Interessen finden. Das allein ermöglicht es, ungewollte Folgewirkungen zu erkennen und zu verhindern. Lobbyismus kann also die Politik nicht aus der Entscheidungsfindung und damit auch nicht aus der Verantwortung für die getroffenen Entscheidungen entlassen. Voraussetzung dafür ist aber, dass grundlegende Spielregeln der Interessenvertretung und Standards der Kommunikation eingehalten werden. Unbestritten ist Transparenz dabei einer der wesentlichen Grundsätze.

Natürlich wird jeder der seine Interessen artikuliert und offen vorträgt auch immer Kritik ernten und Widerworte erfahren, weil andere Akteure in der Regel widerstreitende Interessen verfolgen. Doch etwas anderes ist die drohende Gefahr, dass die License to operate des Lobbying bedroht ist. Spätestens der nächste gravierende Skandal könnte diese in Windeseile in Frage stellen.

Mehr und mehr Akteure erkennen diese Problematik und drängen daher auf eine Klärung der gesetzlichen Grundlagen des Lobbyings:

Die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung de’ge’pol hat am 17.12. auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung und nach einer Mitgliederbefragung ein Papier mit Eckpunkten für einen Gesetzentwurf für ein Lobbygesetz verabschiedet. Damit liegt eine erste Grundlage für ein Gesetzgebungsverfahren auf dem Tisch. Zwar wird das Papier sowohl aus Kreisen der DPRG, die gegen ein verpflichtendes Lobbyregister sind, als auch von Lobbycontrol, denen die finanzielle Offenlegung nicht weit genug geht, kritisiert. Aber damit ist die Diskussion eben eröffnet. Lobbycontrol selbst hat ebenfalls am 17.12. fast 9.000 Unterschriften für ein Lobbygesetz an den Vizepräsidenten des Deutschen Bundestag, Otto Solms, übergeben.

Aber auch in die Unternehmenslandschaft ist Bewegung gekommen. So belegt die jüngste Public Affairs Umfrage der Agentur Publicis, dass das Lobbyregister seinen Schrecken verloren hat. Die Mehrheit erwartet sogar einen positiven Imageeffekt auf das Ansehen der Branche.  Auch in einem Workshop der Bertelsmann Stiftung im Dezember sprachen sich eine mehrere Hauptstadtrepräsentanten verschiedener großer Unternehmen für ein Lobbyregister aus. Inzwischen scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch aus den Reihen der deutschen Industrie eine entsprechende Initiative gestartet wird. Darauf setzt offenkundig auch Transparency International. So verweist der Geschäftsführer von Transparency International, Christian Humborg, immer wieder auf die schwindende Glaubwürdigkeit des Lobbyismus, die nur doch mehr Transparenz gestoppt werden könne. Zurecht unterstreicht er welche gravierenden Folgen dies für die Akzeptanz demokratischer Entscheidungsprozesse und unserer staatlichen Institutionen haben kann.

Mein Fazit: Laut Koalitionsvertrag will die schwarzgelbe Koalition das Thema Lobbying zwar nicht anfassen, aber wenn sich mehr und mehr Akteure pro Lobbyregister positionieren, dann wird gerade eine schwarzgelbe Mehrheit sich dem nicht entgegenstellen. Kommt es zu einer Regelung steckt der Teufel im Detail – auf drei Punkte wird man besonders achten müssen:

  1. Der Geltungsbereich eines Lobbyregisters darf nicht auf den Deutschen Bundestag begrenzt sein, sondern muss zumindest auch die Bundesministerien umfassen. Daher bedarf es einer gesetzlichen Regelung, nicht einer Festschreibung in der Geschäftsordnung des Bundestags.
  2. Das Register muss verpflichtend sein. Ein freiwilliges Register birgt mehr Gefahren als Lösungen, denn es erlaubt aus Sicht der Unternehmen die Verlagerung des „Konfliktes“ in die Beratungsunternehmen, die dann fallweise klären müssen, wo sie offenlegen dürfen und wo nicht.
  3. Das Register muss alle Akteure umfassen. Das meint ausdrücklich auch Rechtsanwaltskanzleien. Da der Mandantenschutz nur den Inhalt des Mandats, nicht aber das Mandatsverhältnis selbst umfasst, ist diese Offenlegung juristisch problemlos möglich.

Das Raumschiff stöhnt

Da mokiert sich Sonja Pohlmann im Tagesspiegel über das „scheinbar harmonische Privatleben“ Frank-Walter Steinmeiers und den freitäglichen Einkaufszettel Angela Merkels. Auch Spiegel Online bläst in dieses Horn. Professionelle Politikberater stöhnen laut auf, wenn sie über die BUNTE Homestory über Frank-Walter Steinmeier oder das EMMA Interview mit Angela Merkel lästern.

Das Raumschiff Berlin ist angewidert davon, dass seine Commander ihr Privatleben zur Schau stellen. Wie unpolitisch! Jetzt wird Politik Boulevard. Anbiederung an die Massen.

Ach, wie leicht wäre das Leben ohne das Volk. Doch genau das Volk darf am 27. September entscheiden. Und was ist so verwerflich daran, dass Wähler Menschen und Persönlichkeiten Vertrauen schenken wollen und nicht einfach nur abstrakten Politikern ihre Stimme geben wollen? Würde einer von den Kommentatoren jemanden im eigenen Umfeld sein Vertrauen schenken, wenn er weiß, dass dieser ständig Wasser predigt und zugleich Wein verpanscht?

Dabei sind die Zeiten längst vorbei, in denen Politiker freiwillig ihr Privatleben in der Öffentlichkeit präsentieren. Denn wer Ehepartner, Privatleben, sexuelle Orientierung oder gar die eigenen Kinder den Medien bekannt macht, verliert in der Öffentlichkeit das Recht auf Intimsphäre. Jede Affäre, jede sexuelle Eskapade, jedes unartige Kind wird bekannt – die Medien sind besitzergreifend. Das Risiko ist groß und der Rückzug ins Private wird eingeschränkt – jeder Politiker sollte sich das zweimal überlegen.

Vertrauen ist ein komplexes Gebilde. Schlüssige Inhalte, widerspruchsfreies Handeln, glaubwürdige Persönlichkeiten, klare Botschaften – alles das braucht es. Da kann der Einblick ins Private helfen, aber es bleibt dabei: Am Ende zählt die Botschaft. Wer glaubt Politik durch Boulevard ersetzen zu können, wird auf die Nase fallen.

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