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Billiglohnland Agentur – oder warum die PR-Verbände gerade gegen den Mindestlohn Sturm laufen.

CCP03_0128HiDa reibt sich mancher verwundert die Augen. Ausgerechnet die PR-Branche wird zum Stichwortgeber der Gegner des Mindestlohns. In der Vergangenheit bemühte sich die Branche immer wieder um verbesserte Bedingungen für prekäre Beschäftigung. So gab es in der GPRA eine kontroverse Debatte um eine Unterstützung der Initiative „Faires Praktikum“. Ein Appell zur angemessenen Bezahlung von Praktikanten half dennoch nur bedingt. Mit rund 500 Euro Durchschnittsvergütung stand die Agenturenbranche am Ende der Praktika-Bezahlungen in Deutschland. Immer wieder wurde ins Land geführt, dass Praktika ja Ausbildungscharakter hätten. Wenn nun laut aufgeheult wird, weil Praktikanten mit fertig abgeschlossener Ausbildung (also nach dem Studium) oder bei Langzeitpraktika den Mindestlohn erhalten müssen, dann zeigt dies vor allem eines: Praktika sind heute in vielen Agenturen längst Teil des Geschäftsmodells. Es geht nicht um eine auch in 3 Monaten mögliche Ausbildung und entsprechende Einblicke in das Berufsfeld, sondern um den unternehmerischen Mehrwert am Praktikanten.
Aber diese Kritik trifft nur einen Teil der Problemlage. Wer sich die Vergütungen von Trainees oder Volontären ansieht, stellt fest, dass der Mindestlohn eine Minimumvergütung von 1.450 Euro zur Folge hat. Das tut zunächst fast keiner Agentur weh, auch wenn es 2014 sogar noch Trainee-Vergütungen von 1.200 Euro brutto gab. Fakt ist aber, dass bei vollständiger Aufzeichnung der Arbeitszeiten im Rahmen der gesetzlich erlaubten Höchstgrenze die Minimumvergütung auf 1.800 Euro ansteigen kann. Wer also unabhängig vom Stundenzettel ein adäquates Gehalt zahlen will, muss seinen Trainees schon ein Bruttogehalt von 1.800 Euro gewähren. Das allerdings liegt am oberen Rand der heute üblichen Vergütungen.
Mit einer entsprechenden Gehaltserhöhung rutschen die Volontärsgehälter in vielen Agenturen so dicht an das Juniorgehalt. Der Grundsatz des Lohnabstands zwischen den einzelnen Positionen wird aber einzuhalten sein. Die Folge: Insgesamt steigen die Gehaltskosten erheblich. Eine Agentur, die 20 Prozent ihrer Mitarbeiter als Trainees beschäftigt, ebenso viele Junioren einstellt und zudem auf Praktikanten setzt, die fertig ausgebildet sind oder eben für sechs Monate zur Verfügung stehen, wird auf erhebliche Mehrkosten kommen. Diese liegen in der Größenordnung von 8% Umsatzrendite. Wenn nun auch noch bei den Aus- und Weiterbildungskosten gespart wird und nur der branchenübliche PZOK-Standard gewährt wird und alle weiteren Ausbildungsschritte als Learning on the Job konstruiert sind, lässt sich eine zusätzliche Umsatzrendite von 4% generieren. Bei einem Geschäftsmodell, das im langfristigen Mittel bei 12% Rentabilität liegt, muss man konstatieren, dass solche Agenturen nur als Niedriglohn-Geschäftsmodell funktionieren.
Die Branchenverbände waren in den letzten Jahren extrem bemüht, sich dem Thema der Ausbildung von Nachwuchskräften zu widmen, in dem sie das Angebot außeruniversitärer Ausbildung durch eine einheitliche Prüfungsinstanz (PZOK) ergänzten. Ein Versuch, der allerdings weitgehend verpuffte, denn längst hat die akademische Ausbildung in den Bereichen Publizistik und Kommunikationswissenschaften der Zusatzausbildung den Rang abgelaufen. Aber auch sonst war die PR-Branche immer sehr auf den eigenen Ruf bedacht. Mit Aktionen wie „PR für PR“ sollte das Image des Berufsfeldes verbessert werden. Gerade viele Agenturchefs sind sehr beunruhigt, dass der Berufswunsch „Agentur“ an wichtigen Lehrstühlen von Studierenden eher als Ausnahme genannt wird. Angesichts des neuen Volontariatsstandards, den die GPRA auf den Weg gebracht und jüngst verabschiedet hat, der aber doch nur Selbstverständliches zusammenfasst, kann es nicht verwundern, dass Agenturen eben nicht mehr der Ort sind, den Studierende als Startpunkt ihrer beruflichen Laufbahn wählen. Nein, sie gucken sehr genau hin, wo ihnen wirklich hochwertige Zusatzausbildungen, externe Referenten, Kunden-Cases und Zukunftsfragen gestellt werden, und wo sie eng gecoacht und geschult werden, wo also tatsächlich in ihr Weiterkommen investiert wird.
Es besteht übrigens Hoffnung, dass der Mindestlohn dem Preiskampf der Agenturen ein Ende setzt. Agenturen, die sich mit nur 600 bis 800 Euro durchschnittlichem Tagessatz anbieten, können dies nur durch Niedriglohnmodelle für ihre Beschäftigten realisieren. Insbesondere öffentliche Auftraggeber sollten dies beachten, wenn solche Preise bei Ausschreibungen vorgelegt werden. Das gilt vor allem auch für jene Institutionen, die schon in der Vergangenheit durch Preisdumping auffielen.

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