Vom loyalen Kunden und seiner engagierten Agentur
Vor einigen Tagen formulierte Frank-Michael Schmidt, Scholz & Friends, was er unter einer guten Agentur- Kunden-Beziehung versteht. „Die Basis jeder Partnerschaft ist ein wechselseitiges Commitment. […] Loyalität ist keine Einbahnstraße“, so stellt er in einem Horizont-Interview fest. Nun kann man diese Äußerung abtun, als das Jammern nach einem Krisenjahr. 2009 haben Agenturen erfahren, was Loyalität als Einbahnstraße sein kann:
- Keine Planungssicherheit über eigentlich schon vereinbarte Budgets
- Pitches und Konzepte zum Nulltarif
- Pitches als Brainstorming für Aufgaben ohne Budgets
- Preiskampf und margenfreie Projekte
- usw.
Richtig: 2009 lief für viele Unternehmen nicht schlecht. 2009 war ein Jahr der Marktbereinigung. Qualitätsführende und wettbewerbsfähige Agenturen konnten sich halten, andere mussten gravierende Umsatzrückgänge hinnehmen. Mancher verschwand vom Markt. Also, alles nur ein Sturm im Wasserglas, weil normal in der Marktwirtschaft?
Genau hier setzt die Diskussion um Nachhaltigkeit unseres Wirtschaftsmodells an. Frank-Michael Schmidt hat Recht, wenn er von der „Verantwortungsgemeinschaft“ spricht. Es geht um nichts anderes als ein nachhaltiges Modell der Supply Chain. Wer seine Lieferanten und Dienstleister nicht als faire Businesspartner behandelt, der muss mit den Konsequenzen leben:
- Zuerst schwindet die Qualität. Hohe Mitarbeiterfluktuation und Produktionsdruck (gerne auch als Billability bezeichnet) lassen Prozess- und Ergebnisqualität schwanken und schließlich abfallen.
- Die Innovationskraft der Agenturen nimmt ab, neue Trends, Veränderungen in der Kommunikationslandschaft lassen sich nicht mehr so schnell in Beratungsangebote überführen, weil der Freiraum zum Nachdenken fehlt.
- Einzelne Agenturen überleben diese Situation nicht dauerhaft, Agenturenwechsel werden erforderlich.
- Immer weniger Agenturen können sich die Teilnahme an Pitches und Wettbewerbsausschreibungen finanziell erlauben. Ergo: Der Wettbewerb nimmt ab. Die Auswahl wird geringer.
Wer denkt da nicht an Ignacio Lopez zurück. Der Automobil-Manager schaffte es einst, den Lieferanten der Automobil-Industrie einen derartigen Kostendruck aufzuerlegen, dass es reihenweise zu Konkursen und Fusionen kam. Am Ende überlebten in einzelnen Segmenten oft nur ein bis drei Anbieter – und auf einmal waren die Lieferanten die Mächtigen. Das steht im Kommunikationsmarkt nicht zu erwarten, denn eine neue Agentur lässt sich schnell und ohne großes Investment gründen. Das Beispiel zeigt aber, wie kurzsichtig derartiges Verhalten aus Sicht des Auftraggebers sein kann.
Aber es muss auch umgekehrt gelten: Wer nachhaltig mit seinen Dienstleistern umgeht, der darf auch eine nachhaltige Beratung erwarten. Nachhaltige Beratung heißt dem eigenen Kunden keine kurzfristigen Erfolge verkaufen, sondern ihn nachhaltig positionieren. Nachhaltige Beratung heißt dem Kunden auch eine kontraproduktive Idee auszureden, selbst wenn sich damit Geld verdienen ließe. Nachhaltige Beratung heißt Risiken der Kommunikation zu erkennen und daher davon abzuraten. Nachhaltige Beratung empfiehlt relevante, intelligente Kampagnen, statt marktschreiender Auftritte. Und eines ist klar: Projekt- und Beraterteams, die aus Praktikanten und Volontäre bestehen, können diese Form der nachhaltigen Beratung nicht leisten.
Darum ist es so bedauerlich, wenn in einer Studie jüngst nur 14% der befragten Agenturen Ansätze eines systematischen Managements der eigenen Nachhaltigkeit erkennen lassen. Denn erst die Auseinandersetzung mit der Frage, wo das eigene Geschäftsmodell an Grenzen stößt und wie es nachhaltig ausgerichtet werden kann, lässt die erforderlichen Erkenntnisprozesse zu. Nachhaltigkeit fällt nicht vom Himmel, sondern muss immer neu erarbeitet werden.