Strategieblog

GroKo – quo vadis

Am 7. Februar erzielten die drei Parteien CDU, SPD und CSU einen Durchbruch in ihren Verhandlungen und konnten einen neuen Vertrag für eine Wiederauflage der Großen Koalition schließen. Diesem Vertrag müssen jetzt noch ein CDU Parteitag und die Mitglieder der SPD zustimmen. Während ersteres trotz interner Kritik am Ergebnis als Formsache gelten dürfte, stellt zweiteres eine ernstzunehmende Hürde dar. Allerdings dürften die Ereignisse von Mittwoch die Chancen einer Zustimmung deutlich gesteigert haben. Nicht nur sind einige wichtiger Erfolge aus Sicht der SPD zu konstatieren, auch der personelle Rochade die den bisherigen Parteivorsitzenden Schulz aus dem Fokus nimmt, dürften die Zustimmung steigern. Andrea Nahles gilt als Führungsfigur, der die meisten in der Partei zutrauen, den Erneuerungsprozess der SPD parallel zur Regierungsarbeit voranzutreiben. Die NoGroKo Vertreter gerieten erkennbar in die Defensive.

Vielfach wurde von einer Niederlage der CDU gesprochen und geschrieben. Das ist zweifelsohne richtig. Dabei ist die Frage des Finanzministeriums nur ein Symbol. Viel entscheidender ist der Umstand, dass CSU und SPD ein doppelter Coup gelang: Erstens konnten beide ihre Führungsfragen und die Frage nach den Machtzentren bis 2021 klären. Die CSU wird in Bayern von MP Söder in das nächste Jahrzehnt geführt, während der Parteivorsitzende und Superminister Seehofer noch für weitere vier Jahre die bundespolitische Größe der CSU darstellt. In der SPD kann Andrea Nahles eine Rolle erlangen (Partei- und Fraktionsvorsitzende), mit der schon viele Vorsitzende in der Vergangenheit liebäugelten, die aber in der SPD eine historische Seltenheit darstellt. Zugleich wird Olaf Scholz als Finanzminister und Vizekanzler die SPD Stimme im Kabinett sein. Die beiden vertrauen einander und können die K-Frage 2021 im Einvernehmen klären. Ganz anders die CDU, über der nun drei Jahre lang die Nachfolgefrage als Damoklesschwert hängt, denn weder wird ein Kronprinz oder eine Kronprinzessin installiert, noch sind die Machtverhältnisse zwischen liberal-konservativen Kräften und moderatem Merkelflügel geklärt. Das wird die gefühlte Dominanz der Bundeskanzlerin in der Großen Koalition I und II beenden und eine ganz neue Form der Koalition einleiten.

Da kommt erschwerend ein zweiter Punkt hinzu. CSU und SPD gelingt es, sehr klare Profile in dieser Koalition für sich zu erlangen. Damit können beide Parteien sich profilieren, Unterschiede herausstellen, ohne ständig zänkisch agieren zu müssen. Die CSU wird künftig über die meisten der Milliarden Infrastrukturinvestitionen wachen: Straße, Schiene, Breitband, Wohnen, Bauen – allein die Energienetze liegen in der Verantwortung des Wirtschaftsministeriums. Überdies kann eine strikte Flüchtlingspolitik die rechte Flanke der Union bedienen. Die SPD dagegen wird das Thema Europa besetzen und die Antwort auf Macron zur Zukunft der Europäischen Union wesentlich prägen können. Noch wichtiger aber: Mit Ausnahme des Themas Gesundheit liegen in den SPD Ressorts alle Alltagsthemen. Die SPD kann sich als die Partei der Mittelschichten profilieren: Arbeit, Soziales, Rente, Familie, Frauen, Jugend und Verbraucherschutz. Dagegen wirken die Ressorts der CDU wie eine bunter Flickenteppich.

Wer also glaubt, dass diese Koaliton eine bloße Fortsetzung der bisherigen Großen Koalition sein wird, der kann sich eventuell dramatisch täuschen. Zwei weitere Gründe sprechen dagegen. Diese Koalition macht das Füllhorn in Richung Investitionen in Soziale und reale Infrastrukturen auf. Der Investitionsstau soll aufgelöst werden und damit die öffentliche Daseinsvorsorge erheblich gestärkt werden. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass neben der Flüchtlingsfrage Themen der Teilhabe, der fehlenden öffentlichen Infrastruktur und des Stadt/Land-Gefälles wesentliche Treiber für die Wahl der AfD waren. Gelingt es diese Investitionen umzusetzen, dann kann dem Eindruck des Stillstands in Deutschland entgegengewirkt werden. Übrigens wird daher auch extra eine Enquetekommission zum Thema Bürgerbeteiligung und damit zur Steigerung von Akzeptanz bei solchen Vorhaben eingesetzt werden. Der andere Grund liegt in den viel belächelten 105 Kommissionen und Expertenrunden, die in diesem Koalitionsvertrag vereinbart wurden. Man darf dabei nicht übersehen, dass diese Kommissionen teilweise sehr klare Arbeitsaufträge haben und nicht so unbestimmt Fragestellungen hin und her diskutieren sollen, wie es den Eindruck hat. Auch das kann dazu führen, dass diese Koalition versuchen wird, die wichtigsten Stakeholder der eigenen Politik mitzunehmen, auch um auf diese Weise die Realisierung dieser Politik zu beschleunigen – und ja, in Teilen ist dies auch eine Vertagung von Konflikten, die nicht gelöst werden konnten (z.B. bei der Angleichung der Arzthonorare).

Gelingt diese Form der Politik, so bedeutet das für Wirtschaftsakteure, dass sie noch viel mehr darauf hinwirken müssen, sich als konstruktive Experten für die Politik anzubieten und weniger auf konfrontatives Gegensteuern zu beschränken. Das ist bei solchen Multistakeholder-Ansätzen ein hochkomplexer Vorgang, erfordert Thought Leadership, Aufbau von fachlichen und gesellschaftlichen Kompetenzen und einen transparenten sowie ehrlichen Umgang mit den eigenen Interessenlagen.

Volkswagen nach dem Vertrauensverlust: Beziehungskapital muss wieder aufgebaut werden

Gastbeitrag von Peter Szyszka:

Wie kann Volkswagen Vertrauen zurückgewinnen? Oder radikaler: Kann Volkswagen Vertrauen zurückgewinnen? Diese Fragen stellen sich nicht erst nach Bekanntwerden des GPRA-Vertrauensindex. Man mag zu derartigen Indexwerten stehen wie man will: Wenn sich ein Indexwert wie im vorliegenden Fall quasi halbiert hat, fordert dies zum Nachdenken heraus. Spannend ist die Frage, ob oder in wieweit es dabei um Kommunikation geht. Unternehmenskommunikation kann immer nur so gut sein wie das ihr übertragene Mandat und der Umgang hiermit. Ein Seismograph, der mit Weitblick auch kritische Meinungen in Markt und Gesellschaft herausfiltert, der Entscheidungen und Ereignisse auf deren Folgen in öffentlicher Kommunikation und Meinungsbildung hinterfragt, der Problemhorizonte nicht nur aufspürt, sondern auch auf deren unternehmenspolitische Bewältigung Einfluss nimmt, ist der eher bürokratische VW-Kommunikationsapparat jedenfalls offensichtlich nicht gewesen. Wenn sich Kommunikationsleistungen auf das Verkünden guter oder schlechter Nachrichten beschränken, dann wäre das „very old school“.

Dieses Problem, so es denn eines ist, ist im Kontext des sogenannten „Abgas-Skandal“ bei näherer Betrachtung genauso zweitrangig wie die Diskussion um eine autoritäre Führungskultur – von Insidern als „Geist von Piech“ bezeichnet –, die ein modernes Verständnis von Unternehmenskommunikation verhindert haben könnte. Im Unverständnis des Martin Winterkorn, der offensichtlich aus seinen Ämtern beim Volkswagen-Konzern und der Porsche SE gedrängt werden musste, spiegeln sich Überheblichkeit von Konzern und Köpfen gegenüber Markt und Gesellschaft und Unsensibilität bis Ignoranz im Umgang mit Öffentlichkeit und Meinungsbildung.

Eine tiefer gehende Frage lautet nämlich: Auf welchen Erwartungen basierte das Bild, das bis dahin vom Volkswagen-Konzern als Unternehmens- und Markenpersönlichkeiten in Markt und Gesellschaft bestand? Welches Persönlichkeitsprofil und welche Authentizitätsmerkmale lagen Vertrauen, Image, Reputation, Sympathie und Attraktivität zugrunde, die dem Konzern und seinen Marken entgegengebracht wurde und ihn erfolgreich machte? Volkswagen stand für mehr als „Made in Germany“, Volkswagen stand für moderne Massenmobilität. Wie anders ließe sich der bewusst gewählte Markenclaim „Volkswagen. Das Auto“ deuten? Der gleichzeitig für Audi etablierte Markenclaim „Fortschritt durch Technik“ ließ sich als Synonym für die Zukunftsorientierung des Konzerns lesen: 13 Audi-Siege bei den 24 Stunden von Le Mans in 15 Jahren plus ein Bentley-Sieg sind hier ein Pfund: Der Konzern als Wegbereiter neuer automobiler Wege.

Aber denkt sich Mobilität in Attributen derartiger Höchstleistungen oder geht es beim Kernimage nicht eher um alltagstaugliche Energieeffizienz? Der Konzern war einmal auf diesem Weg. Jedenfalls schien es so, denn Anfang der 2000er-Jahre gab es im Konzern das 3-Liter-Auto – Verbrauch wohlgemerkt und nicht Hubraum. Im Alltag bewährt, sind die Modelle Audi A2 1.2 3L TDI und VW Lupo 3L TDI ohne Nachfolger in die Automobilgeschichte eingegangen. Am Markt erfolgreich waren beide nicht, schon weil sie das Konzern-Marketing als Stiefkinder behandelte, die nicht zur Flotte passten.

Und dann war da noch das 1-Liter-Auto, als Prototyp seit 2002 immer wieder medienwirksam in Szene gesetzt: Ein Marketing-Gag vielleicht, verbunden mit der Suggestion, dies sei Volkswagens Weg der Zukunft von Massenmobilität und Verbrennungsmotor. Tatsächlich wuchsen auch bei Volkswagen, wie überall, die Autos und mit ihnen ihre PS-Leistungen. Verbrauchwerte wurden schön geprüft, ohne dass man dafür großen öffentlichen Widerspruch erntete: eine automobile Schweigespirale? Der Abgas-Skandal könnte dies alles nun ändern.

Was dies alles mit Kommunikation zu tun hat? Systemtheoretisch und auch praktisch betrachtet sehr viel, denn es geht hier um mehr als nur ums Kommunizieren. Die Beziehungen zwischen Volkswagen und seinen verschiedenen Stakeholdern, von Mitarbeitern und Kunden, Markt und Marktumfeld über Kapitalgeber, Politik usw. haben gelitten. Sie bestehen aus nichts anderem als Kommunikationen, aus Sachverhalten und Ereignissen, die sich Episode für Episode aneinander reihen. In diesen Beziehungsgeschichten gerinnen Erfahrungen zu Erwartungen, an denen Volkswagen immer gemessen wurde und auch nun gemessen wird. In ihnen ist das Beziehungskapital hinterlegt, jenes Unterstützungskapital der verschiedenen Stakeholder, von denen der Volkswagen-Konzern in der Vergangenheit gut gelebt hat. Vertrauensverluste, das sind enttäuschte Erwartungen, Irritationen und mehr, ein angeschlagenes Image, rückläufige Sympathie und Wertschätzung, nachlassende Attraktivität und mehr. Unterstützungskapital steht in Meinungen, Einstellung, Haltungen und letztlich der Akzeptanz von Konzern, Unternehmenspolitik und Konzern-Produkten. Wer ist eigentlich Volkswagen? Wo der Konzern herkommt, ist bekannt, wofür er aber steht, ist infrage gestellt.

Damit wird ein grundsätzliches Problem deutlich: Volkswagen muss sich erklären, muss eine Antwort darauf geben, was der künftige USP des Konzerns rund um sein Zukunftsthema Massenmobilität sein soll – ein Elektro-Phaeton, wie nun angekündigt, leistet dies definitiv nicht. Deutlich wird daran auch die Rolle moderner Unternehmensberatung rund um Kommunikation: Es geht um die Auseinandersetzung mit den kommunikationspolitischen Konsequenzen unternehmenspolitischer Entscheidungen, um die Gestaltung erfolgversprechender Unternehmenspolitik und das dafür notwendige Beziehungskapital und schließlich um Kommunikationsleistungen mit deren Hilfe gezielt versucht wird, dieses Beziehungskapital im erforderlichen Maße aufzubauen und zu befestigen. Auch vor eben dieser Aufgabe steht der Volkswagen-Konzern.

Artikel von Peter Szyszka im PR-Journal

Roland Berger Communications: Ein neuer Anlauf

Es ist nicht das erste Mal. Erneut unternimmt Roland Berger einen aufwendigen Anlauf, um in den Markt der Kommunikationsberatungen zu kommen und sich dort zu etablieren. Vorherige Anläufe scheiterten. Diesmal soll der erfahrene Torsten Oltmanns sicherstellen, dass der Anlauf klappt. Aber warum sollte diesmal gelingen, was früher nicht gelang.

Für Roland Berger Communications spricht, dass sie erkannt haben, dass der Kommunikationsmarkt viel diverser ist, als viele sich das wünschen. Die Zahl ausgewiesener Unternehmensberatungen für Kommunikation ist klein, aber klar differenziert von den zahllosen Agenturen im Markt. Wer sich in beiden Teilmärkten bewegen will, braucht ausgewiesene Geschäfts- und Strukturmodelle, die unterschiedliche Mitarbeiter, unterschiedliche Beratungsansätze und unterschiedliche Pricings zu integrieren erlauben. Die Erklärung Roland Bergers, man kooperiere hier mit vielen Agenturen des Kunden, mag da etwas kurz greifen.

Ebenso wichtig für jede Unternehmensberatung ist aber ein eigener, differenzierender Beratungsansatz. Roland Berger stellt dabei offenkundig den CEO ins Zentrum. „Our new Executive Communications practice supports CEOs and their communications departments in better communicating their corporate goals and more efficiently achieving them. Just how important this has become in today’s world is illustrated by this figure: four out of five top managers fail not because of their performance but because of their perception – the impression they make on shareholders and stakeholders.” Das erinnert ein wenig an den nicht besonders erfolgreichen Versuch vor rund 10 Jahren, mit dem Beratungsansatz des CEO als Marke durchzustarten. Am Ende sind die immer kürzeren Amtszeiten aber viel zu volatil, um eine Organisation an einer Person auszurichten. Die mit PR-Preisen gefeierten, aber am Ende für dramatisch gescheiterten Versuche der Deutschen Bank stehen hierfür beispielhaft.

Aus Sicht von Roland Berger und dem vorhandenen Netzwerk macht es natürlich Sinn, den CEO ins Zentrum zu stellen. Genau diese Aussage lässt nun manchen PR-Geschäftsführer nervös werden, denn in solchen Konstellationen wird aus der PR-Industrie, wie sie sich bisher verstand, immer mehr die reine Werkbank. Was ein ehrenvoller, aber margenenger Job ist.

Unternehmensberatungen dagegen schauen vielmehr auf Strukturen und Prozesse, auf die Optimierung von Geschäftsmodellen und auf die Wege des Wirtschaftens eines Unternehmens, die in der Kommunikation das eigentliche Spannungsfeld ausmachen. Kommunikation als Management der Umfeld- und Umweltbedingungen des Wirtschaftens, die Beziehungsarbeit mit allen relevanten Stakeholdern, muss es schaffen, möglicherweise existierende Spannungen zu einzelnen Stakeholdern frühzeitig zu erkennen und mittels Kommunikation zu bearbeiten. Hier ist es spannend zu beobachten, wie ein vergleichsweise kleines Kompetenzzentrum bei Roland Berger gegen die umsatzmächtige Unternehmensberatung beim Kunden ankommt und ein Gleichgewicht zwischen den Beratungen erreicht.

Dem Markt wäre der Erfolg von Roland Berger Communicatios zu wünschen, wertet eine solche Konkurrenz den Markt als solches doch auf.

Cryan heißt die Chance für den Neuanfang bei der Deutschen Bank

Zu beneiden ist John Cryan nicht, wenn er am 1. Juli das Zepter bei der Deutschen Bank übernimmt. Er tritt ein schweres Erbe an. Aber er kann Hoffnung verbreiten. Als faktisch von außen kommender Vorstandschef kann er auf eine unvoreingenommene Wahrnehmung der Stakeholder hoffen.

Denn er ist nicht von der Führungskultur der Deutschen Bank geprägt worden. Er steht daher auch nicht für die rechtlichen und regulatorischen Risiken der Vergangenheit, auch wenn er diese nun lösen muss.

John Cryan muss aber nicht nur diese rechtlichen und regulatorischen Risiken lösen, um die damit verbundenen bilanziellen Probleme und Rückstellungen zu lösen, auch wird Cryan nicht nur an den Bilanzwerten und -risiken Hand anlegen müssen.

Mindestens ebenso wichtig ist die Steigerung des Beziehungskapitals. Selten konnte man es so deutlich vorrechnen wie am Tag der Hauptversammlung der Deutschen Bank. Während die Stakeholder und Shareholder dem Vorstandsduo die Leviten lasen und die Zerrüttung ihrer Beziehung vorführten – bis hin zur 39% Nichtzustimmung bei der Entlastung der beiden – notierte die Aktie der Deutschen Bank bei 28,80 Euro.

Damit betrug die Börsenkapitalisierung der Deutschen Bank 6,5% WENIGER als ihr Bilanzwert, allein als Ergebnis zerrütteter Stakeholder Beziehungen. Mit anderen Worten das Beziehungskapital der Deutschen Bank war negativ und betrug minus 6,5% des Bilanzwerts. So kann es auch nicht wundern, dass allein die Personalentscheidung für John Cryan einen 8%igen Sprung der Aktie auslöste und so das Beziehungskapital auf einen Nullwert führte.

Gleichwohl die nach seiner Ernennung wieder einmal gestiegenen Aktienkurse der Deutschen Bank darauf hindeuten, dass Shareholder (und Stakeholder), die sich in den letzten Jahren vom Unternehmen abgewandt hatten, weil das Vertrauen in seine Führung verloren gegangen war, nun wieder Hoffnung schöpfen können. Aber nur mit einer stärkeren Berücksichtigung ihrer Interessen kann der lange angekündigte Kulturwandel im Konzern auch gelingen.

Das vor allem ist die Chance, die sich dem Briten bietet. Dafür muss er aber den Kulturwandel neu deklarieren und erklären wie Effizienzsteigerung und Rückgewinnung von Vertrauen unter einen Hut gebracht werden können.

So ist es symbolisch gar nicht zu unterschätzen, dass Cryan eben sehr gut deutsch spricht und sich nicht wie Jain in schwierigen Momenten ständig übersetzen lassen muss.

Wenn Cryan verstanden hat, dass Stakeholder wie Politik, Gewerkschaften / Betriebsrat, Mitarbeiter oder Medien in Deutschland eine noch weit bedeutendere Rolle spielen als im Fall der UBS Sanierung, dann hat er eine echte Chance die Bank als Phönix aus der Asche auferstehen zu lassen.

Bittere Lektion für Labour

Labour zerschmettert zwischen zwei Volksentscheiden – SNP wird Mitglieder- und Volkspartei – konservative Tories gewinnen mehr enttäuschte Wähler der Liberalen als UKIP ihnen abnehmen kann.

Das sind die vermutlich wichtigsten Fakten der britischen Wahl. Während die Medien sich auf die ungenauen Umfragevorhersagen stürzten, hinter denen letztlich „nur“ ein Swing von 2% zulasten von Labour und zugunsten der Konservativen steht, der sich beim britischen Mehrheitswahlrecht aber eben in der Sitzzahl vervielfachen kann, soll der Fokus hier auf die strategischen Fragestellungen dahinter gelegt werden.
Labour ist der Verlierer dieser Wahl. Eine Niederlage, die weniger überraschend kommt, als viele jetzt glauben machen wollen. Letztlich hat Labour in zwei wichtigen Fragen, die‎ Teile der britischen Öffentlichkeit bewegten und bewegen, keine für die für breite Wählerschichten tauglichen, keine populären, sondern nur „vernünftige“ Antworten gefunden. Zunächst war da das Begehren nach der Unabhängigkeit Schottlands, das die SNP im letzten Jahr zwar verloren hatte, zugleich aber für sie den Boden bereitete, als Partei im Vereinigten Königreich die Rolle als einziger Interessenvertreter Schottlands einzunehmen. Als Mitgliederpartei des Nordens (100.000 Mitglieder konnten gewonnen werden) und als führende Kraft (50 Prozent der Stimmen bei dieser Wahl). Im Gegenzug zerrann Labours machtvolle Rolle im Norden, verlor die Partei hier über ein Drittel ihrer Stimmen. ‎Genauso wenig vermochte es Labour auch in der zweiten, alle Briten bewegenden, Debatte eine eigene klare Rolle zu vermitteln. Nämlich zur Frage Brexit bzw. EU-Mitgliedschaft. Statt auf populäre und auch vielleicht populistische Positionen (durchaus pro-europäisch) zu setzen, argumentierte man vielfach allein vernunftbetont. Cameron hingegen schaffte es, seine Europa-Kritiker nicht vollständig, aber doch hinreichend genug, durch das Angebot eines Volksentscheides einzubinden. So verlor Labour am Ende in alle politische Richtungen und gewann nicht genug enttäuschte liberale Wähler hinzu. Labour blieb inszeniert, abstrakt, unnahbar. Beim Wahlvolk hingegen waren andere: SNP, UKIP und am Ende sogar Cameron vorn.
Der Aufstieg der SNP war also erwartbar. Mitgliederstark und mit einem volksnahen Habitus sowie einer äußerst beliebten schottischen Ministerpräsidentin ‎konnte sich die SNP als linke Volkspartei ähnlich der CSU in Bayern etablieren. Ebenso wenig überraschen kann die vernichtende Niederlage der Liberalen, die zweidrittel ihrer Wähler verloren. Die offenkundige Machtversessenheit bei ihrem Eintritt in die Koalition mit den Konservativen, die wesentliche Wahlversprechen über Bord warf, führte ja schon für die FDP hierzulande zum Garaus. Überraschend allerdings, dass offenbar (so erste Einschätzungen) der größere Teil dieser Wähler (insbesondere in ländlicheren Gebieten und in Kleinstädten) an die Tories gingen und nicht zu Labour wechselten. Und das, obwohl Labour doch für die von den Liberalen nicht umgesetzte Politik stand.
So jedenfalls konnte UKIP nur einen einzigen Wahlkreis von den Konservativen gewinnen, während diese den Liberalen 27 Wahlkreise abnahmen.
Und was lässt sich daraus nun lernen? Mitglieder sind für Parteien in Europa immer noch eine lebenswichtige und erfolgskritische Größe. Populäre, nahbare Politik ist die einzige Chance populistische Kräfte einzubeziehen. Und wer Volksentscheide will, muss akzeptieren, dass dies die Anforderungen an politische Strategien tiefgreifend verändert.

 

Billiglohnland Agentur – oder warum die PR-Verbände gerade gegen den Mindestlohn Sturm laufen.

CCP03_0128HiDa reibt sich mancher verwundert die Augen. Ausgerechnet die PR-Branche wird zum Stichwortgeber der Gegner des Mindestlohns. In der Vergangenheit bemühte sich die Branche immer wieder um verbesserte Bedingungen für prekäre Beschäftigung. So gab es in der GPRA eine kontroverse Debatte um eine Unterstützung der Initiative „Faires Praktikum“. Ein Appell zur angemessenen Bezahlung von Praktikanten half dennoch nur bedingt. Mit rund 500 Euro Durchschnittsvergütung stand die Agenturenbranche am Ende der Praktika-Bezahlungen in Deutschland. Immer wieder wurde ins Land geführt, dass Praktika ja Ausbildungscharakter hätten. Wenn nun laut aufgeheult wird, weil Praktikanten mit fertig abgeschlossener Ausbildung (also nach dem Studium) oder bei Langzeitpraktika den Mindestlohn erhalten müssen, dann zeigt dies vor allem eines: Praktika sind heute in vielen Agenturen längst Teil des Geschäftsmodells. Es geht nicht um eine auch in 3 Monaten mögliche Ausbildung und entsprechende Einblicke in das Berufsfeld, sondern um den unternehmerischen Mehrwert am Praktikanten.
Aber diese Kritik trifft nur einen Teil der Problemlage. Wer sich die Vergütungen von Trainees oder Volontären ansieht, stellt fest, dass der Mindestlohn eine Minimumvergütung von 1.450 Euro zur Folge hat. Das tut zunächst fast keiner Agentur weh, auch wenn es 2014 sogar noch Trainee-Vergütungen von 1.200 Euro brutto gab. Fakt ist aber, dass bei vollständiger Aufzeichnung der Arbeitszeiten im Rahmen der gesetzlich erlaubten Höchstgrenze die Minimumvergütung auf 1.800 Euro ansteigen kann. Wer also unabhängig vom Stundenzettel ein adäquates Gehalt zahlen will, muss seinen Trainees schon ein Bruttogehalt von 1.800 Euro gewähren. Das allerdings liegt am oberen Rand der heute üblichen Vergütungen.
Mit einer entsprechenden Gehaltserhöhung rutschen die Volontärsgehälter in vielen Agenturen so dicht an das Juniorgehalt. Der Grundsatz des Lohnabstands zwischen den einzelnen Positionen wird aber einzuhalten sein. Die Folge: Insgesamt steigen die Gehaltskosten erheblich. Eine Agentur, die 20 Prozent ihrer Mitarbeiter als Trainees beschäftigt, ebenso viele Junioren einstellt und zudem auf Praktikanten setzt, die fertig ausgebildet sind oder eben für sechs Monate zur Verfügung stehen, wird auf erhebliche Mehrkosten kommen. Diese liegen in der Größenordnung von 8% Umsatzrendite. Wenn nun auch noch bei den Aus- und Weiterbildungskosten gespart wird und nur der branchenübliche PZOK-Standard gewährt wird und alle weiteren Ausbildungsschritte als Learning on the Job konstruiert sind, lässt sich eine zusätzliche Umsatzrendite von 4% generieren. Bei einem Geschäftsmodell, das im langfristigen Mittel bei 12% Rentabilität liegt, muss man konstatieren, dass solche Agenturen nur als Niedriglohn-Geschäftsmodell funktionieren.
Die Branchenverbände waren in den letzten Jahren extrem bemüht, sich dem Thema der Ausbildung von Nachwuchskräften zu widmen, in dem sie das Angebot außeruniversitärer Ausbildung durch eine einheitliche Prüfungsinstanz (PZOK) ergänzten. Ein Versuch, der allerdings weitgehend verpuffte, denn längst hat die akademische Ausbildung in den Bereichen Publizistik und Kommunikationswissenschaften der Zusatzausbildung den Rang abgelaufen. Aber auch sonst war die PR-Branche immer sehr auf den eigenen Ruf bedacht. Mit Aktionen wie „PR für PR“ sollte das Image des Berufsfeldes verbessert werden. Gerade viele Agenturchefs sind sehr beunruhigt, dass der Berufswunsch „Agentur“ an wichtigen Lehrstühlen von Studierenden eher als Ausnahme genannt wird. Angesichts des neuen Volontariatsstandards, den die GPRA auf den Weg gebracht und jüngst verabschiedet hat, der aber doch nur Selbstverständliches zusammenfasst, kann es nicht verwundern, dass Agenturen eben nicht mehr der Ort sind, den Studierende als Startpunkt ihrer beruflichen Laufbahn wählen. Nein, sie gucken sehr genau hin, wo ihnen wirklich hochwertige Zusatzausbildungen, externe Referenten, Kunden-Cases und Zukunftsfragen gestellt werden, und wo sie eng gecoacht und geschult werden, wo also tatsächlich in ihr Weiterkommen investiert wird.
Es besteht übrigens Hoffnung, dass der Mindestlohn dem Preiskampf der Agenturen ein Ende setzt. Agenturen, die sich mit nur 600 bis 800 Euro durchschnittlichem Tagessatz anbieten, können dies nur durch Niedriglohnmodelle für ihre Beschäftigten realisieren. Insbesondere öffentliche Auftraggeber sollten dies beachten, wenn solche Preise bei Ausschreibungen vorgelegt werden. Das gilt vor allem auch für jene Institutionen, die schon in der Vergangenheit durch Preisdumping auffielen.

Das Lied vom Ende der Agenturen

CCP05_0108HiIn den letzten Wochen kamen die Einschläge dichter. Erst verkündet Daimler die Gründung einer eigenen Agentur, die künftig als Generalwerbeagentur des Unternehmens dienen soll. Dann erklärt Rocket Internet, aus den diversen Unternehmen des Start-up Imperiums eine Agentur ausgründen zu wollen. Selten wurde es so deutlich: Das Geschäftsmodell Agentur steht unter Druck. Auch, wenn man natürlich den ausgewiesenen Strategen und erfahrenen Berater Tonio Kröger, der in Stuttgart den Auftrag zum Aufbau der Daimler-Agentur erhalten hat, nicht mit Rocket Communications vergleichen kann, denn allein deren Ausgründung ist längst noch nicht Ausdruck von Beratungskompetenz. Allein die Grundaussage ist deutlich: Beide – Daimler wie Rocket Internet – sehen keinen Mehrwert darin, Beratungsleistungen im freien Markt zu erwerben.
Aber woran liegt das? Wieso erscheint das Geschäftsmodell der Werbe- und PR-Agentur so austauschbar? Um das zu verstehen, muss man sich den Agenturmarkt von beiden Seiten genauer anschauen. Auf der einen Seite des Marktes sitzen vielfach Unternehmensentscheider, die mit dem Engagement einer Agentur mehrere Hoffnungen verbinden: Erstens bedeutet Agentur für sie Kostenreduktion bzw. Kostenverlagerung von Headcounts zu variablen Kosten. Zweitens bieten Agenturen die Möglichkeit, im Unternehmen geltende Arbeitszeitregelungen und betriebliche Mitbestimmung zu umgehen. Drittens stehen Agenturen für eine schnelle Anpassung an neue Trends im Markt und dadurch einen Knowhow-Vorsprung gegenüber Unternehmen. Alle drei Begründungen sind ins Wanken geraten: Mit der Einführung des Mindestlohns werden Agenturen, die das Geschäftsmodell Niedriglohn verfolgen, bis ins Mark erschüttert. Preisanstiege werden folgen. Zugleich haben Agenturen in den letzten Jahren ihre Attraktivität als Arbeitgeber für Berufsanfänger verloren. Um das auszugleichen, müssen sich längst auch viele Agenturen Flexibilität zusätzlich vergüten lassen. Bleiben neue Trends: Hier herrschte lange ein Missverständnis. Agenturen empfahlen immer neuere technische Lösungen, setzten auf immer mehr auf Kreativität statt auf Relevanz und verloren so den Kontakt zum Geschäftsmodell ihrer Kunden. Kein Wunder, dass immer mehr Unternehmen inhouse Kompetenzen aufbauen, um relevante Lösungen für ihre Kommunikationsaufgaben zu entwickeln.

Wie konnte es aber soweit kommen und wieso gelingt es ausgerechnet im Agenturmarkt nicht, einen beraterischen Mehrwert darzustellen? Schon seit Jahren verweigern sich Wissenschaft und Praxis, Theorie und Anwendung in der PR- und Werbe-Branche ihre Anerkennung. Die Wissenschaft forscht für sich und einige Drittmittelgeber. Viele Agenturen entwickeln Tools, die letztlich nur Verkaufstricks statt echter Innovation sind. Das Ergebnis dieses Prozesses ist die Abstinenz von spezifischen Beratungsansätzen in den Agenturen. Nur ein eigener Beratungsansatz liefert aber beraterische Eindeutigkeit und damit auch einen fundierten Mehrwert. Dieser eigene Beratungsansatz garantiert auch die Alleinstellung und kann NUR im Markt eingekauft und nicht inhouse entwickelt werden. Das Gros der PR-Agenturen hingegen feiert sich selbst mit einem Feuerwerk an PR-Awards für Projekte, die vor der Preisverleihung niemand kannte und die letztlich nur von einer vordergründigen, aber austauschbaren Aufmerksamkeit leben und wie Strohfeuer schnell verglühen.

Nur wenige Kommunikationsberatungen haben dies in den letzten Jahren erkannt und sich daher der Herausforderung gestellt, einen eigenen Beratungsansatz zu entwickeln: Hering Schuppener oder Deekeling Arndt Advisors seien hier genannt.
Weil auch J+K seit seiner Gründung an eigenen Innovationen und Beratungsmethoden in verschiedenen Kompetenzfeldern gearbeitet hat, kann kaum verwundern, dass vor vier Jahren dann die Entscheidung fiel , auch in einen eigenen Beratungsansatz zu investieren und unter Bezugnahme auf wissenschaftliche Erkenntnisse zum Beziehungskapital einen komplett eigenen Beratungsansatz zu entwickeln. Ein dreiviertel Jahr danach scheint der Markt J+K recht zu geben: 21% Wachstum im Jahr 2014 sind zumindest ein starkes Argument.

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