Warum Verantwortung nicht nur individuell sein kann
Der Deutsche Führungskräfteverband (ULA), ein Dachverband für sieben Verbände Leitender Mitarbeiter und Führungskräfte, hat einen Arbeitskreis namens Aktionskreis Leistungsträger. Mitglieder dieses Arbeitskreises sind Bdvb – Bundesverband der Volks- und Betriebswirte, bvhd – Bundesverband der Verwaltungsbeamten des Höheren Dienstes, BVBC – Bundesverband der Bilanzbuchhalter und Controller, DBV – Deutscher Bankangestelltenverband, Marburger Bund, Völklinger Kreis – Bundesverband Schwuler Führungskräfte und der Verband Deutscher Wirtschaftsingenieure. Genau dieser Arbeitskreis hat nun „Zehn Thesen zur Ethik der Wirtschaft“ veröffentlicht.
Der Glocalist verweist süffisiant auf Widersprüche und Unklarheiten im Text: „Die Formulierung „keine Gewinnmaximierung um jeden Preis“ [in These 3] wirft wohl schon in der Formulierung ein interessantes Paradoxon auf und verweist auf eine Grundsatzfrage, nämlich wie Geld in die Wirtschaft kam.“ Viel stärker wird im Text aber das Dilemma der Verantwortungsübernahme in einem Unternehmen deutlich.
Natürlich haben die Autoren recht, dass eine Führungskraft mit ihrem ganzen Handeln Vorbild für ethisches Verhalten sein muss. Führungsverhalten muss Fehlverhalten von Mitarbeitern (z.B. Mobbing) unterbinden und erwünschtes Verhalten belohnen. Führung muss deutlich machen, welches die Entscheidungskriterien in einem Unternehmen sind und dabei unterstreichen, wo Aspekte der Nachhaltigkeit in eine Entscheidung eingeflossen sind. Vertrauen, Integrität, Fairness und Mut sind Führungswerte, die das Thesenpapier nennt. Niemand, der nachhaltiges und damit ethisch verantwortliches Unternehmenshandeln befördern will, würde da je „nein“ dazu sagen.
Aber gleichzeitig verdeutlicht das Papier auch, wie begrenzt das Handeln der einzelnen Führungskraft ist. Denn, was wäre denn, wenn eine Führungskraft im unternehmerischen Wettbewerb auf Wettbewerbsvorteile ihres Arbeitgebers verzichtet? Was wäre mit einem Vorstand, der seinen Shareholdern mitteilt, wir verzichten dieses Jahr auf 5% Ertrag und setzen auf einen langfristigen Return. Vermutlich würden sie alle recht schnell nach einem neuen Job umsehen müssen.
Denn Nachhaltigkeit beginnt dort, wo nicht nur Stilfragen, softe Faktoren, sondern die Frage nach dem unternehmerischen Business Case beginnen. Es geht um die Frage, wie man dauerhaft Geld verdienen will, nicht nur wie es ausgegeben (oft: gespendet) werden soll. In den meisten Unternehmen lassen sich nachhaltige Geschäftsmodelle finden und entwickeln, ohne dass das Unternehmen sein Kerngeschäft aufgeben und seine Kernkompetenzen verlieren muss. Aber fast ebenso oft bedeutet dies die Umstellung von einer kurzfristigen Ertragsbetrachtung in Richtung eines langfristigen, aber nachhaltigen Returns.
Aber welche Shareholder wollen einem Vorstand diese Zeit geben, wenn die durchschnittliche Haltedauer institutioneller Anleger für Unternehmensaktien inzwischen unter 12 Monate gesunken ist. Und spätestens jetzt sollte klar werden, dass persönliche Verantwortung zwar wichtig, aber nicht ausreichend ist. Denn es geht um politische, rechtliche Vorgaben (auch Regulation genannt) und es geht um gleiche Bedingungen in der Kapitalbeschaffung für alle, statt einer Bevorzugung kurzfristiger Anlagen.
Darum: Das Bekenntnis zur Verantwortung einer Führungskraft und zur Verantwortung eines Unternehmens sind das eine. Aber solche Selbstverpflichtungen können nur dann nachhaltig wirken, wenn sie sich mit einem Bekenntnis zum Primat der Politik verbinden. Denn Politik muss der Wirtschaft die Rahmenbedingungen für Nachhaltigkeit vorgeben.
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