Eine Stadt ist keine Marke ist eine Marke …
„Eine Stadt ist keine Marke. Eine Stadt ist auch kein Unternehmen. Eine Stadt ist ein Gemeinwesen.“ Es ist ein Plädoyer des Protests. Ein Protest von Hamburger Künstlern unter Schirmherrschaft von Daniel Richter gegen die Marke Hamburg. Es ist aber viel mehr als das, denn es ist ein Plädoyer für ein politisches Manifest gegen die stromlinienförmige Ausrichtung eines Gemeinwesens im Rahmen des internationalen und nationalen Standortwettbewerbs.
Als politischem Beobachter juckt es mir natürlich in den Fingern, darüber zu schreiben, was es für eine Stadt bedeutet, wenn sie 40% ihres gesamten Kulturetats an ein Projekt, hier die Elbphilharmonie, bindet – übrigens wie so oft ein Projekt, dessen Kosten laufend explodieren. Genauso juckt es mich, die Frage zu kommentieren, wie soziale Stadtentwicklung aussehen muss, wenn Seggregation und damit Ghettoisierungen abgewehrt werden sollen – und dennoch die wirtschaftliche Basis einer Großstadt nachhaltig gesichert werden muss. Dies bedeutet nämlich, dass Unternehmen angesiedelt, neue Unternehmen entstehen und Steuerzahler in der Stadt gehalten werden müssen. Langfristig führt Seggregation aber zur Destabilisierung solcher Ansiedlungspolitik, ist also von kurzfristigem Denken geprägt.
Aber Richter und seine Kollegen fordern ja auch den Kommunikationsfachmann in mir heraus. Denn sie projizieren ihre Kritik an der Politik des schwarzgrünen Senats auf die Marke Hamburg. Und damit schlagen sie die Marke mit ihren eigenen Waffen. Denn Marke soll ja gerade Komplexität reduzieren und Kernentwicklungen hervorkehren. Wenn die Marke Hamburg ihnen also das Symbol einer von ihnen abgelehnten Politik ist, tun sie richtig daran auch die Marke und die Markenentwicklung zu kritisieren.
Was kann der Kommunikationsmann da also noch argumentieren? „Eine Stadt ist keine Marke“, gerade weil sie eine Marke ist? Oder ist es nicht doch ein zu kurz gegriffenes Markenverständnis, das hier einer berechtigten Kritik ausgesetzt ist. Marken sollen Komplexität reduzieren, nicht aber Komplexität ausblenden. Es geht also gerade nicht darum, erwünschte Realitäten eindimensional zur Marke einer Stadt zu erklären, sondern das Gemeinwesen Stadt mit all seinen Widersprüchen und Verwerfungen auch in der Marke abzubilden. Denn was soll die Marke erreichen? Es geht ja nicht allein darum, eine Tourismusmarke zu haben, die Reisende anlockt am Wochenende oder im Kurzurlaub das kulturelle Angebot einer Stadt zu nutzen. Es geht auch nicht darum, die Standortmarke zu entwickeln, die Investoren verdichtet die Vorteile eines Standorts verdeutlichen soll. Nein, die Herausforderung besteht darin, einer Stadt eine Identität zu geben. Identifikationsmerkmale für Bewohner wie Besucher herauszuarbeiten. Gemeinsamkeiten im Gemeinwesen zu erkennen. Gerade weil die Stadt ein Gemeinwesen ist, braucht sie diese Gemeinsamkeiten. Gemeinsame Erfahrungen, gemeinsame Konflikte, gemeinsame Widersprüche, aber auch Gemeinsamkeiten, auf die man stolz ist, die das Gemeinwesen eben zusammen halten. Wer also eine Marke nicht als Konstruktion einer Identität des Gemeinwesens versteht, sondern als Simplifizierung im Marketing, der riskiert viel: Er riskiert die Frontalopposition jener, die sich in dieser Konstruktion nicht wieder finden. Er konstruiert eine Marke, die nicht mitnimmt, die nicht einbindet, die nicht begeistert. Letztlich entsteht eine artifizielle Marke, keine authentische Identität.
Und dann wird die Marke zum Symbol des Trennenden und nicht des Gemeinwesens. Das kann einige Jahre gut gehen, kann Wachstumseffekte für Tourismus und Stadtentwicklung haben. Auch der Wirtschaftsstandort mag zunächst befördert werden. Aber am Ende trennt es eben – und damit erodiert dann auch das Gemeinwesen. Das Fazit kann nur lauten: erfolgreiche Identitätsgestaltung kann nur im Dialog mit den Stakeholdern gelingen. Oder um es in den Worten von Schultz&Hatch zu sagen: Hamburg ist ein klassischer Fall von Marken-Narzissmus. Diese Marke hat sich so intensiv mit ihrem Selbstbild und der konstruierten Markenkultur beschäftigt, dass der Bezug zur Realität verloren gegangen ist. Die Folge: vernachlässigte Stakeholder verlieren das Interesse an der Marke oder boykottieren sie.
Und so ist der Künstler-Appell am Ende fast dialektisch: Daniel Richter und seine Kollegen wollen Widerstand gegen die Stadt als Marke leisten und unterstreichen dennoch wie wichtig Marken-Identitäten im Gemeinwesen Stadt sind.
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